Verlorene Seelen, Tod und Teufel
Herbstzeit ist Gruselzeit – ein schaurig-schöner Rundgang durchs abendliche Residenzschloss Ludwigsburg sorgt für Nervenkitzel.

Herbstzeit ist Gruselzeit – ein schaurig-schöner Rundgang durchs abendliche Residenzschloss Ludwigsburg sorgt für Nervenkitzel.

Unsere Schritte knarzen auf dem Parkettboden. Die Ahnengalerie ist ein langer schmaler Saal. Es ist ziemlich dunkel in der Dämmerung, wenn die Kronleuchter ausbleiben. Und das ist heute Abend der Fall: «Schaurig schön» heisst die Führung, die das Residenzschloss Ludwigsburg während der Wintermonate nach dem Ende der Öffnungszeit anbietet, Gruselmomente inklusive. Man hört irgendwann natürlich auch seltsame Geräusche: Hat es dort hinten geknarzt? Beruhigend, den Geschichten von Schlossführerin Kerstin Frisch wenigstens im Schutz der Gruppe zu lauschen.
Nicht nur Gruselgeschichten sind Thema bei der Führung, es geht auch um Bestattungsriten und Schönheitsrituale vergangener Zeiten. Und so erlebt man beim Gang durch die dunklen Flure, Säle und Treppenaufgänge eben nicht nur das eine oder andere mulmige Gefühl im Bauch – man erfährt auch ganz viel über den Schlossalltag von einst: dass es bei den adligen Damen als schön galt, grosse Pupillen zu haben. Also tropfte man sich Belladonna – Tollkirsche – in die Augen und sah dann so aus wie zum Beispiel Prinzessin Sophia von Thurn und Taxis in der Ahnengalerie: Auf dem Porträt hat sie sehr dunkle, gross wirkende Augen. Fürchtet sich Guide Kerstin Frisch in den Schlosssälen denn niemals? Selten, sagt sie und lacht. Und fügt hinzu: «Wir haben noch jeden Gast hier wieder heil herausgebracht.»
 
			 
			 
			«Hier», das ist in diesem Fall ein stattliches vierflügeliges Schloss mit 452 Zimmern. Das kleine Jagdschloss, das hier einst stand, wurde ab Anfang des 18. Jahrhunderts von den Herzögen von Württemberg zum Residenzschloss ausgebaut. Heute sind in den glanzvollen Gebäudeteilen mehrere Museen untergebracht: Im Mode¬museum etwa erleben Gäste eine Modenschau mit originaler Kleidung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Im Keramikmuseum ist Ludwigsburger Porzellan ausgestellt. Durch die Ausstellungen geht es heute Abend nicht. Stationen unserer Tour sind die Grotte, in der früher auch Feste gefeiert wurden, der Weinkeller, die Ahnengalerie, das Schlosstheater mit seiner originalen Bühnenmaschinerie aus dem Jahr 1758 und die Schlosskirche. Der Grusel bleibt letztendlich wohldosiert. Frisch erzählt die alten Anekdoten durchaus mit einem Augenzwinkern. Und so gewinnt an diesem Abend nicht das Schaurige die Oberhand, sondern die Freude darüber, mit einer kleinen Gruppe ganz alleine in diesem riesigen Schloss sein zu dürfen.
