Nantes, eine Stadt, die sich an der Schnittstelle zwischen der ruhigen Flusslandschaft der Loire und dem weiten, abenteuerlichen Horizont des Ozeans befindet, war jahrhundertelang einer der bedeutendsten französischen Überseehäfen. Ein Fenster zu exotischen Welten, die wichtige Spuren hinterlassen und deren Kultur geprägt haben. Im Laufe der Geschichte gezwungen, sich immer wieder neu zu erfinden, erlebte Nantes in den 1980er-Jahren einen schweren Niedergang, als die Deindustrialisierung zur Schliessung ihrer Werften führte – dem Herzstück der Stadt. Zurück blieben apokalyptische Landschaften aus verlassenen Hallen und rostigen Industrieüberresten.

Mit schlechter Stimmung und steigender Arbeitslosigkeit beschloss der damalige sozialistische Bürgermeister Jean-Marc Ayrault 1989, auf die Kultur zu setzen. Im Namen der von ihm geführten Organisation «Le Voyage à Nantes» wurden städtische Erneuerungsprojekte und Strategien für eine nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen.

Nantes, die Bretonische

Dank dem starken politischen und bürgerlichen Willen zur Wiederherstellung eines bis dahin vernachlässigten Kulturerbes, gelang es Nantes, den Niedergang zu stoppen und ein weltweit beachtetes Beispiel für urbane Regeneration zu werden. Heute verzaubert die Stadt mit dem mittelalterlichen Glanz ihres Stadtzentrums, das sich dank der bretonischen Herzöge entwickelte.

Das Schloss beherbergt heute das Historische Museum von Nantes, das mit seinem innovativen Ausstellungskonzept die Regeneration einer ganzen Stadt verkörpert. Das historische Zentrum ist recht kompakt und kann zu Fuss erkundet werden. Ein Spaziergang durch das historische Viertel Bouffay bedeutet, sich in ein Labyrinth aus mittelalterlichen Gassen zu begeben, die von lebhaften Plätzen und einer Vielzahl eleganter Boutiquen, Ateliers, Cafés und Restaurants gesäumt sind, in denen Einheimische und Touristen gemeinsam die Freuden des Lebens geniessen. Hier ist die imposante gotische Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul nicht zu übersehen, die nach dem Brand im Jahr 2020 restauriert wird. Auch eine grüne Linie ist nicht zu übersehen, die sich abrupt über Bürgersteige und Plätze, durch das Stadtzentrum, entlang dem Ufer der Loire und den angrenzenden Vierteln, die vage an Paris erinnern, zieht.

Juwel der Stadtplanung in Nantes: Der Graslin-Platz im gleichnamigen Quartier.
Juwel der Stadtplanung: Der Graslin-Platz im gleichnamigen Quartier. © Alberto Fabbris

Kunst entlang der grünen Linie

Das Folgen der grünen Linie ist für die Einwohner und Gäste von Nantes zu einem festen Ritual geworden. Jahr für Jahr entdecken sie so immer wieder neue Ecken der Stadt. Entlang der grünen Linie unternimmt man eine kulturelle Reise durch eine Stadt, die sich ständig wandelt. Dabei stösst man auf Kunstinstallationen, die zum Lächeln und Nachdenken anregen. Auf dem Place du Bouffay steht die Bronzestatue «Éloge du pas de côté» des Künstlers Philippe Ramette. Sie zeigt einen Mann im Anzug, der mit einem Fuss in der Luft einen fernen Horizont fixiert – ein Symbol für die verschmitzte und mutige Seele von Nantes.

Exzellente Gastronomie

Entlang der grünen Linie offenbart sich nicht nur La Cigale, die prächtige historische Brasserie am Place Graslin, sondern auch das Beste der regionalen Gastronomie. Mit Michelin-Sternen gekrönte Restaurants, charmante Brasserien und vielfältige exotische Küchen präsentieren eine reiche Auswahl aus erstklassigen Zutaten. Die meisten Lokale beziehen ihr Gemüse, Fisch, Fleisch und Wein aus der Umgebung der Stadt.

Raffinierte Geschäfte

Für Liebhaber des Einkaufens ist die Passage Pommeraye im Graslin-Viertel ein absolutes Muss: Diese mehrstöckige Galerie könnte als Kulisse für einen historischen Film dienen. Ein weiterer Ort, der in vergangene Zeiten entführt, liegt entlang der Ufer des Canal Saint-Félix. Im Jahr 1895 errichtete der berühmte Butterkekshersteller Lefèvre-Utile (LU) aus Nantes eine Fabrik am Quai Ferdinand-Favre. Die innovative Beton- und Metallstruktur sowie die beiden prächtigen Jugendstil-Ecktürme, die 1909 hinzugefügt wurden, machen das Gebäude zu einem Wahrzeichen von Nantes. Die ehemalige LU-Fabrik dient heute als alternatives Kunstzentrum «Lieu Unique».

Île de Nantes

Vom Quai de la Fosse aus eröffnet sich der kleinere Arm der Loire, jenseits dessen sich die ausgedehnte Flussinsel erstreckt. Hier nimmt das Thema des Reisens eine fantastische Wendung und entführt in die literarische Welt von Jules Verne, der 1828 in Nantes geboren wurde und durch seine Abenteuerromane bekannt ist, die futuristische Expeditionen beschreiben. Sein berühmtestes Werk «20’000 Meilen unter dem Meer» ist zweifellos von den maritimen Atmosphären der Île de Nantes inspiriert. Noch immer weht hier die Meeresbrise, der Fluss folgt den Gezeiten, und die riesigen Kräne prägen das Herz der einst glorreichen, nun stillgelegten Werften, die heute Ziel vorbildlicher städtischer Entwicklungsprojekte sind: Nachhaltige Architekturen, einladende urbane Räume und soziale Vielfalt verschmelzen hier mit den bedeutenden Spuren der Hafengeschichte der Stadt. Die alten Hangars und Werften sind zu pulsierenden Zentren der kreativen Welt von Nantes geworden.

Auf der Île de Nantes spürt man in vollem Masse die regenerierende Kraft von Kunst und Kultur: Hier hat sich die Stadt nach der Schliessung der Werften in den 1980er-Jahren neu erfunden. Inmitten einer Identitätskrise verfolgte Nantes eine visionäre postindustrielle Entwicklungspolitik, die in die Kultur investierte und die angeborene Berufung für kulturelle, künstlerische oder historische Reisen neu interpretierte. Die Krönung dieser Reiseabenteuer liegt in den alten Werften an der westlichen Spitze der Insel, wo heute der «Parc des Chantiers» liegt.

Majestätische Maschine: Der Elefant ist zum Wahrzeichen der Stadt Nantes geworden.
Majestätische Maschine: Der Elefant ist zum Wahrzeichen der Stadt geworden. © Alberto Fabbris

Hier haben die Fantasie von Pierre Orefice und François Delarozière eine Welt erschaffen, die jener von Jules Verne würdig ist: Unter den Gewölben der einstigen grossen Industriehallen erstrecken sich grosse Bäume, eine wilde Savanne und ein Bestiarium von monumentalen lebenden Maschinen, genannt «Les Machines de l’île». Im «Parc des Chantiers» verkündet ein mächtiger Elefantenruf den monumentalen mechanischen Grand Éléphant, eine wahre Kathedrale aus Holz und Stahl, der durch den Park spaziert und Wasser aus seinem Rüssel sprüht.

60 Kilometer lange Kunstgalerie

Die Fähre führt von der Île de Nantes zur Nordseite der Loire, nach Bas-Chantenay. Hier ist die Little Atlantique Brewery, ein beliebter Ort, um sich mit einem ausgezeichneten Bier auf den Besuch der längsten Kunstgalerie der Welt einzustimmen: 33 Kunstwerke entlang der 60 km langen Loire-Mündung von Nantes bis Saint-Nazaire sind sicherlich rekordverdächtig. Die Kunstwerke sind in eine Route eingebettet, die per Auto oder Fahrrad über gekennzeichnete Wege oder vom Bootsdeck aus zu bestaunen sind.

Dank visionärer Politiker und Einwohner hat die Kunst einen positiven Kreislauf in allen Bereichen des Lebens von Nantes geschaffen: Viertel mit hoher Lebensqualität, die für alle sozialen Schichten zugänglich sind, makellose öffentliche Verkehrsmittel, eine beispiellose kulturelle Vielfalt und eine unvergleichliche Natur sind die Stärken von Nantes. Die Stadt ist eine Vorreiterin in nachhaltiger Entwicklung und ein Beispiel für Resilienz und Wiedergeburt.

www.levoyageanantes.fr